Schlingernd zur Persönlichkeit
Von Tom Bullmann Osnabrück im Feuilleton der Neue Osnabrücker Zeitung vom 5.5.2010
Den Menschen jenseits seiner Selbstdarstellung nimmt der Osnabrücker Künstler Moritz Neuhoff ins Visier. Mit der Ausstellung "Pseudo-Ich" in der
GALERIE schwarz | weiss thematisiert er den Menschen zwischen Selbstschutz und Blöße.
Moritz Neuhoff spielt mit der Identität. Oft sind die Antlitze seiner Figuren verhüllt, hinter grotesken Masken oder gar schwarzen Henkersmützen verborgen. Individualität führt er ad absurdum. Daher wählte der Künstler auch den Titel "Pseudo-Ich" für seine Ausstellung. Der Wunsch des Menschen nach Kontur und Persönlichkeit gerät in seinen Bildern ins Schlingern, das Ich wird zur Maske. Und dennoch geben die vielfach abstrusen Gestalten etwas von ihrem Charakter preis.
"Rouge" ist der Titel eines weiblichen Porträts, das den Blick magisch anzieht. Wegen der verschwommenen Farbgebung im Augenbereich und den auffälligen, herunterlaufenden Schlieren, die an Tränen und aufgelöste Schminke erinnern, vermittelt das Bild ein tiefes Gefühl der Trauer. Ähnlich wirkt auch das Werk "Die Tramper". Einsam und hoffnungslos steht ein Erwachsener mit seinem Kind in einer öden Landschaft an der Straße, die ins nirgendwo führt. Und der traurige Clown heißt bei Neuhoff "Lustigmann" – und entspricht der Vorstellung, dass hinter der witzig-heiteren Fassade oft ein depressiver Mensch steckt.
Ähnlich wie es bei Francis Bacon um die bedrohte Existenz geht, die sich bei dem irischen Maler in Verstümmelungen und Deformationen des Körpers äußerten, so stellt auch der an der Kunstakademie Münster studierende Neuhoff das Dasein infrage. Doch bildet sich in seinen Werken eine Perspektive heraus. Das Individuum behält eine Chance, sich in dieser von Rollen und Zurschaustellung dominierten Welt zu behaupten.
Neuhoff kommt von der Street Art. Das schlägt sich in seiner Technik nieder, denn anstelle von Ölfarben benutzt er Lack und Sprühfarben, die er sich im Baumarkt besorgt. Als Reaktion auf die Entfremdung in unserer Wegwerfgesellschaft malt er auf Einkaufstüten oder stellt Radierungen mithilfe von TetraPaks her. Als Mitglied der Kunstgruppe "Nartur" war er maßgeblich an den Graffiti auf den Bauzäunen am Felix-Nussbaum-Haus beteiligt.