Spiel mit dem kontrollierten Zufall

Von Tom Bullmann Osnabrück im Feuilleton der Neue Osnabrücker Zeitung vom 22.4.2005

 

Der Bahnhof von Puschkin scheint ein freundlicher Ort zu sein. Die alte Architektur mit den hellen Farben und der großzügig angelegte Vorplatz mit einer Straße auf einem Gemälde von Arsentij Pawlow vermitteln einen gemischten Eindruck aus ländlicher Idylle und Großstadt.
Wer mehr russische An- und Einsichten betrachten möchte, kann jetzt die Ausstellung "Stadtleben" in der GALERIE schwarz | weiss besuchen. Ölgemälde und Linolschnitte des in Osnabrück lebenden Kunststudenten sind dort ausgestellt, die alle in den Jahren 2003 bis heute entstanden sind.


1999 kam Pawlow mit seiner Familie nach Osnabrück. Seine Faszination für die Malerei hatte ihn bereits mit 15 Jahren motiviert, eine Kunstschule zu besuchen. Die Ausbildung musste er wegen einer Verletzung und wegen seines Umzuges nach Deutschland abbrechen, jedoch erhielt er hier Privatunterricht in Zeichnen und Malen. Als Motive für seine aktuellen Werke wählt er ausschließlich Bilder aus seiner ehemaligen Heimat: Straßen, Plätze und Häuser in Puschkin, dem Vorort von Sankt Petersburg, in dem Pawlow aufwuchs. Verlassen wirkt die Frau mit einem Kinderwagen, die eine Allee hinabeilt: "Winter in Puschkin". Und auch der Lkw mit einem Wasserbehälter, der die Dworzowaja sprengt, einen zentralen Platz in St. Petersburg, zieht seine Runden vor menschenleerer Kulisse, denn es ist "Weiße Nacht".


Der junge Künstler zeichnet aus der Erinnerung oder orientiert sich an Skizzen, die er aus Russland mitbrachte - wie die Bleistift- und Aquarell-Zeichnungen von dem Landhaus und dem Meer bei Mariupol in der Ukraine, wo seine Großmutter lebte. Sowohl die Eindrücke vor Ort als auch sein Gedächtnis sind offenbar positiv geprägt, die freundlichen Farben und Stimmungen sprechen eine eindeutige Bildsprache.


Nur ein Bild weicht ab: Eine gesichtslose Figur flieht scheinbar aus einem Raum, den das kalte Licht einer nackten Glühbirne erleuchtet, und hinterlässt ein Gefühl von Leid und Trauer. Die autobiografische Vision des 22-jährigen Künstlers?


In seinen aktuellen Linoldrucken sind die gleichen Motive wie in den Gemälden zu finden, in kleinformatigen Drucken beschäftigt er sich dagegen mit dem menschlichen Körper. Die in mehreren Arbeitsgängen entstandenen und bis zu sieben Farben aufweisenden Farbdrucke zeichnen sich durch Variantenreichtum aus. Jeder Abzug wird so zum Spiel mit der kontrollierten Zufälligkeit.

nach oben | zurück | drucken