Farbenfroher Alltag

Stadtgalerie: Ausstellung "Kopfzirkus" mit Werken von Stefanie Kramer

Von Tom Bullmann Osnabrück im Feuilleton der Neue Osnabrücker Zeitung vom 9.10.2010

 

Der "Loverboy" scheint in das Leben der Künstlerin Stefanie Kramer getreten zu sein, um gute Laune zu verbreiten. Vorbei sind die Zeiten, in denen die junge Osnabrückerin düstere Szenarien entwarf mit Menschen, die bedrohlich anmutende Hundewesen an der Leine führen. Auch die riesigen Bahnen Japanpapier, die sie von beiden Seiten bedruckt, scheinen passé zu sein. Die Landschaften, die sie darauf entwickelt, sind eher dunkel, und der Druckprozess hinterlässt in ihnen bisweilen leuchtende Wunden, die Kramer notdürftig mit Klebeband verarztet. Stattdessen schaut jetzt ein junger Herr verträumt in den Raum, der mit farbenfrohen Utensilien und Requisiten gefüllt ist.

 

"Kopfzirkus" ist der Titel einer Ausstellung, die heute in der Stadtgalerie eröffnet wird. Außergewöhnlich sind die hier gezeigten Werke aufgrund verschiedener Merkmale. So widmet sich die an der Universität Osnabrück ausgebildete Künstlerin dem Holzschnitt, einer Technik mit Seltenheitswert. Dass sie damit in Handarbeit riesige Formate produziert, die gerade mal in die ohnehin schon recht hohen Räume der Stadtgalerie passen, ist gewagt, denn zum Teil muss sie mit großen Holzplatten hantieren – die sie bevorzugt aus dem Sperrmüll heraussucht.

 

Mit den großen Holzschnitten setzt Kramer ihren "Kopfzirkus" in Gang: Der Betrachter lässt seinen Assoziationen freien Lauf, entwickelt aus den Bruchstücken im Bild eigene Geschichten. Aus den Motivcollagen entsteht das Narrative.

 

Einen besonderen Reiz entwickeln die Holzschnitte auf Chinapapier im hinteren Raum der Galerie. Dort hat Kramer sie so an der Decke befestigt, dass man durch die leicht transparenten Bahnen hindurchgehen kann. Die Perspektive wechselt bei jedem Schritt, der "Zirkus" wird vielfältig schillernd.

 

Dass die Künstlerin die Themen aus ihrem Alltag, ihrer Umgebung entwickelt, ist am ehesten an den kleineren Drucken und Zeichnungen zu erkennen. In Figurengruppen, die sich verloren kauernd aneinanderdrängen, vermischen sich Realität und groteske Traumwelt. "Ein Teil ist dort geblieben", titelt Kramer und beflügelt den "Kopfzirkus" mit vieldeutigen Anspielungen. Die archaisch wirkenden Werke entstanden, bevor Stefanie Kramer ihren Lebensmittelpunkt nach Berlin verlegte.

 

Stadtgalerie: "Kopfzirkus". Holzschnitt und Zeichnung von Stefanie Kramer. Sa., 9. Okt. (Eröffnung: 18 Uhr), bis 21. Nov., Di.–So. 10–18 Uhr.

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