Ausstellungen im Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück im Jahr 2011
"Levitation" - Daniel Pešta
Ausstellung vom 17.9.2011 bis 27.11.2011
Vom 17.9.2011 bis 27.11.2011 wird im Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück / Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück eine Ausstellung des tschechischen Künstlers Daniel Pešta präsentiert. Die Ausstellung "Levitation" steht unter dem Jahresthema "Würde". Sie umfasst ein breites Spektrum an Ausdrucksmitteln – angefangen bei Malerei, über Raum- und Wandinstallationen bis hin zu Videoart und Konzeptkunst. Pešta hat für seine Ausstellung im Felix-Nussbaum-Haus ein künstlerisches Projekt realisiert, in dem er sowohl mit dem Maler Felix Nussbaum als auch mit dem Architekten Daniel Libeskind in Dialog tritt.
Unter "Levitation" versteht man einen Zustand des "Schwebens". Der Künstler Daniel Pešta beschäftigt sich in seiner Kunst mit der Vieldeutigkeit dieses Begriffs. "Dieses Museum in Osnabrück ist eine unglaubliche Herausforderung. Es war kein einfacher Prozess, die Werke von Felix Nussbaum der Gegenwartskunst Daniel Peštas gegenüber zu stellen. Es ist ein wunderbares Experiment und ich schätze es sehr, dass dieses in Osnabrück geglückt ist", so Dr. Dadja Altenburg-Kohl, Direktorin des Museum Montanelli in Prag, in einem Pressegespräch am Vortag der Eröffnung.
Ein Teil der Werke wurden 2010 im Museum Montanelli in Prag präsentiert, das die Ausstellung mit dem Osnabrücker Haus gemeinsam produziert. Daniel Pešta erweitert in Osnabrück die Ausstellung um Arbeiten, die auf das Werk Felix Nussbaums eingehen - nicht in Anlehnung an das dramatische Lebensschicksal Nussbaums, sondern in Anlehnung an seinen Humor, an seine Suche nach Identität.
In seinen Werken prangert Pešta die "kalte" wissenschaftliche Analyse eines Gen-Codes an und stellt die Frage nach der Vorbestimmtheit des menschlichen Lebens. Pešta nutzt alltägliche Momente aus der Geschichte früherer Generationen, die zu politischen und gesellschaftlichen Höllen und Familiendramen führten, um Fragen zum kollektiven Bewusstsein zu stellen. Dabei geht es ihm immer auch um das Vergessen von Unrecht und Verbrechen. Das in gewissem Sinne sehr politische und engagierte Werk stellt die unendliche Geschichte menschlichen Lebens und menschlicher Schicksale dar.
Der Künstler befasst sich seit Jahren mit den Themen Religion und der moralischen Verantwortung von diesen jahrtausendelang überlieferten Ordnungen. Der Begriff "Levitation" kann einen persönlichen Traum über die eigene Schwerelosigkeit darstellen oder als Synonym für die Technologie gelten, die Pešta in seinen Werken anwendet. Wenn etwa einzelne Personen oder ganze Gruppen durch eine durchsichtige Masse schweben, dann erwachen auch ihre Geschichten wieder zum Leben.
Daniel Pešta, 1959 in Prag geboren, studierte an der dortigen Baugewerbeschule und der Václav-Hollar-Kunstschule. Unter dem kommunistischen Regime war er als Arbeiter in unterschiedlichen Berufen tätig. Später wurde er Werbegrafiker und entwarf für alternative Musikformationen Plattencover und Plakate. Parallel malte und zeichnete er. Als er 1989 seinen Reisepass bekam und das Land verlassen konnte, ging er nach Westeuropa und wurde stark von der Konzeptkunst beeinflusst. Daniel Pešta nahm auf wichtigen Biennalen der zeitgenössischen Kunst teil (Mexico City, Chicago, Florenz, Prag). Für seine Buchkunst und sein freies Schaffen erhielt er eine Reihe von Auszeichnungen. Er ist Mitglied der tschechischen Künstlervereinigung Mánes. Daniel Pešta lebt und arbeitet in Prag und Frankfurt/Main.
In der Sonderausstellung "Levitation" werden neben den Werken Daniel Peštas Arbeiten des Malers Felix Nussbaum gezeigt. Die Werke Nussbaums setzen sich stets mit menschlichen Empfindungen auf real wirkende Situationen auseinander. Mit einer korrespondierenden Präsentationsform der Werke Nussbaums und Peštas wird ein neues Ausstellungskonzept realisiert, das zu neuen Sichtweisen der Werke Nussbaums einlädt, wie etwa das "Selbstbildnis mit Bruder", das 1935 entstand und im Zusammenhang der nationalsozialistischen Gesetzgebung interpretiert wird. Nussbaum malte sich selbst maskenhaft erstarrt in melancholisch wirkender Verschlossenheit und wählt für seinen Bruder den Ausdruck eines fröhlich aufgesetzten, lauten Lachens. Im Dialog mit Daniel Peštas Installation der Masken lassen sich die eigentlich gegensätzlichen Ausdrucksformen als "Fassade" oder "Maske" wahrnehmen. Sie verdeutlichen die Projektionsebenen, die sich der Mensch vom jeweils anderen Menschen macht.
(Pressetext der Stadt Osnabrück)
"Würde und Anmut"
Ausstellung vom 6.5.2011 bis zum 28.8.2011
Die Ausstellung "Würde und Anmut", die im wiedereröffneten und erweiterten Felix-Nussbaum-Haus Osnabrück / Kulturgeschichtlichen Museum Osnabrück vom 6.5.2011 bis zum 28.8.2011 präsentiert wird, stellt mit Werken von Felix Nussbaum und Albrecht Dürer zwei Hauptsammlungen des Museumskomplexes besonders heraus. Werke zeitgenössischer Künstler pointieren die Zusammenschau von "Würde und Anmut" und verdeutlichen die Aktualität des Themas "Würde". Die Ausstellung bildet den Auftakt des Eröffnungsjahres, das den Besuchern unter dem Thema "Die Würde des Menschen" ein umfangreiches Programm mit Lesungen, Vorträgen, Konzerten und Sonderveranstaltungen im Museum anbietet.
Die Auswahl der Werke Albrecht Dürers (1471–1528) verdeutlichen, wie die alten Meister zu ihrem damaligen "Menschenbild" kamen. Das Studium der Proportionen hat dabei nur geringen Anteil. Viel wichtiger sind die humanistischen Vorstellungen, die die Würde und Persönlichkeit des Einzelnen in einer ständisch organisierten Gesellschaft herausstellen. Das Abbild des Menschen in der Kunst Albrecht Dürers zeigt das antike Schönheitsideal des nackten Menschen. Die "Würde" des Menschen offenbart sich im harmonischen Verhältnis der Körperproportionen.
Indem das Werk Felix Nussbaums (1904–1944) der Kunst der Renaissance gegenüber gestellt wird, eröffnet sich ein neuer Blick auf das Werk des 1944 in Auschwitz ermordeten Künstlers. Der Maler ringt in seinen Bildern um die Unversehrtheit und Würde des Einzelnen im Angesicht des Todes. Dabei entdeckt Nussbaum für seine Kunst die Ausdruckskraft der alten Meister. Seine Figuren werden zu Allegorien in einer sich in Auflösung befindlichen Welt. In Anlehnung an das Statement des Künstlers "Ich wehre mich und werde nicht müde" beleuchtet die Ausstellung die künstlerischen Strategien der Selbstbefragung und -behauptung Nussbaums durch die Malerei. In seinen Selbstporträts zeigt er jene Integrität des Künstlers, um die er so schonungslos gerungen hat.
Ausgewählte Werke zeitgenössischer Künstler ergänzen die Präsentation. Sie fordern zu einer Reflexion über neue Formen ästhetischer Darstellungsmöglichkeiten von "Würde und Anmut" heraus, indem sie die Verletzbarkeit, Begrenzung, Deformierung, aber auch die vielfältige Schönheit des Menschen der Gegenwart in seinem individuellen Dasein zeigen.
Sigalit Landau (geboren 1969 in Jerusalem) richtet in diesem Jahr den israelischen Pavillon auf der Biennale in Venedig aus. Die Videokünstlerin beschäftigt sich mit dem Körper und dessen Verletzbarkeit, und sie fragt nach den Begrenzungen und Deformierungen des Ichs vor dem Hintergrund der politischen Verhältnisse in ihrem Heimatland. Dabei bedient sie sich unterschiedlicher Techniken wie Skulptur, Installation, Video und Performance. Die in der Ausstellung präsentierte Videoarbeit "Barbed Hula" (2000) zeigt die Künstlerin am Strand zwischen Jaffa und Tel Aviv mit einem aus Stacheldraht gewundenem Hula Hoop - Reifen, den sie um den eigenen nackten Körper kreisen lässt. Das eigentlich harmlose Kinderspiel wird zu einem grausam schmerzhaften Akt. Die politische Dimension der Arbeit kommt in der Hintergrundkulisse zum Tragen. Für die Künstlerin ist das Meer die einzige natürliche und friedliche Grenze Israels.
Arnulf Rainer (geboren 1929), der in den 1970er Jahren mit der Überarbeitung eigener und fremder Kunstwerke provozierte, beschäftigt sich intensiv mit der Übermalung fotografischer Werke. Er nutzt in seiner Kunst vertraute Symbole der Darstellung des Leids, überarbeitet sie und findet so zu neuen Bildschöpfungen mit intensiver Wirkung auf den Betrachter. Seine Arbeiten sind Anklagen gegen die Zerstörung individuellen Daseins. In seinen fotografierten Selbstporträts der Werkreihe "Face Farces" verschmelzen die Posen und Grimassen, Entstellungen und Verletzungen mittels der gestischen Übermalung zu einer neuen Ausdrucksgebärde.
Adi Nes (geboren 1966 in Kiryat Gat, Israel) lebt und arbeitet in Israel. Die Themen für seine Fotoaufnahmen findet er in dem Alltagsleben seines Heimatlandes. Er greift für seine Fotografien auf bekannte Vorbilder aus der Kunstgeschichte zurück sowie auf Bilder, die im kulturellen Bild-gedächtnis verankert sind. Die in der Ausstellung präsentierte Fotografie gehört zu der Serie der "Soldaten", mit der Adi Nes die Institution des Militärs und dessen besondere Rolle für die israelitische Gesellschaft kritisch hinterfragt. Die Komposition zitiert das klassizistische Gemälde "Der Tod des Marat" (1793) von Jean Jaques David. Nes zielt mit dieser Arbeit und ihrem kunsthistorischen Vorbild auf die Idealisierung der Armee und die Mythen, die sie in Israel verkörpert. Die Anmut des jungen Mannes, die durch das Arrangement der Komposition herausgestellt wird, steht der Gewalt im Krieg entgegen.
Tal Shochat (geboren 1974 in Natanya, Israel) lebt und arbeitet in Israel. Die Fotokünstlerin inszeniert ihre Bilder, indem sie Motive aus ihrem natürlichen Kontext herauslöst und in ein neues, künstliches Umfeld stellt. Durch das Zusammenspiel der oftmals symbolträchtigen und vielschichtigen Motive befragt sie auf vielschichtige Weise das Thema der Vergänglichkeit. Das in der Ausstellung präsentierte Diptychon stellt einen nackten menschlichen Körper und einen entwurzelten Baum gegenüber. Die weibliche Figur berührt in ihrer zarten Nacktheit, die durch lateinische Bezeichnungen der einzelnen Knochen ihres Körpers beschrieben ist. Der Baum und sein vertrocknendes Geäst als Symbol des Vergehens assoziieren das menschliche Knochengerüst. In diesem Bild verknüpft die Künstlerin die Idee der Vergänglichkeit mit der Suche nach dem Ursprung menschlichen Seins.
Roswitha Hecke (geboren 1944 in Hamburg) lebt und arbeitet in Hamburg. Die Fotografin erkundet oftmals "einfache" Milieus und richtet ihren Blick auf gesellschaftliche Randgruppen. In ihren ungestellten Fotografien zeigt sie beispielsweise Transvestiten, Obdachlose und Prostituierte. Die Fotografin begegnet den Menschen vorurteilslos und zeigt deren Würde und Anmut, die ihnen in der Realität oft abgesprochen werden. In der Ausstellung werden mehrere Arbeiten aus verschiedenen Reihen gezeigt. Darunter auch Bilder der Serie "Liebes Leben. Bilder mit Irene" aus dem Jahr 1978, die zu den bekanntesten der Künstlerin zählen.
Diese und weitere Werke zeitgenössischer Künstler betonen die Zusammenschau von "Würde und Anmut" und verdeutlichen die Aktualität des Themas.
(Pressetext der Stadt Osnabrück)