Ausstellung "Heimatmelodien" von Arsentij Pawlow in der Osnabrücker GALERIE schwarz | weiss
Subtile Kritik am Brauchtum?
Von Tom Bullmann in der Neue Osnabrücker Zeitung vom 28.10.2011
Osnabrück. Ist Arsentij Pawlow jetzt in Deutschland angekommen? Malte der gebürtige Russe nach der Ankunft in seiner Wahlheimat Osnabrück vor zwölf Jahren noch die Plätze und Straßen seiner Heimatstadt Sankt Petersburg, so wählt er für seine aktuellen Bilder Frauen in Krachledernen und Dirndl als Motiv.
"Heimatmelodien" nennt Arsentij Pawlow seine Ausstellung in der GALERIE schwarz | weiss. Der Titel zeugt von einer gewissen Zerrissenheit, die an dem Künstler nagt und die sich in seinen Bildern widerspiegelt. Die Melodien seiner alten Heimat klangen wohl noch in seinem Kopf, als er vor Jahren bevorzugt düstere Musikanten mit Balalaika und Akkordeon malte. Jetzt sind seine Musiker licht, lustig, weiblich und tragen Dirndl. Oder sie musizieren womöglich gar nicht mehr, sondern es baumelt ihnen ein Lebkuchenherz vom Oktoberfest um den Hals, auf dem "I mog di" zu lesen ist.
Nein, halt, vielleicht ist dem Künstler der beliebte, essbare Liebesbeweis doch nicht so wichtig, denn das "g" eliminierte Pawlow aus kompositorischen Gründen aus dem Bild und gab ihm den Titel "I mo di". Subtile Kritik an den immer beliebteren Bräuchen auf den Münchner Wiesn und bei den Plagiat-Gaudis in diversen Metropölchen im Lande? Oder nur eine Andeutung des Unverständnisses gegenüber solchem Brauchtum?
Dass Pawlow mit seinen Bildern keine Lanze fürs Volkstümliche brechen will, zeigt sich gerade in dem Bild "Ausflug nach Venedig". Da sitzt ein Äffchen mit einem Tamburin auf einem historischen Platz und lässt eine junge Frau im Dirndl zu seinen Rhythmen tanzen. Der Rollentausch zeugt von einer gewissen Dominanz der Kreatur über den Menschen, und der Gesichtsausdruck der Tanzenden lässt erahnen, dass sie keinen Gefallen an ihrer Tätigkeit findet. Da ist das Verhalten zweier Frauen schon eher authentisch, die Arsentij Pawlow als "Schwätzerinnen" bezeichnet. Das großformatige Bild muss der abgeschlossenen Werkphase zugeordnet werden, in der sich der Künstler intensiv mit der Lithografie beschäftigte. Motive aus der Antike, die an römische Legionäre und Venusstatuen erinnern, findet man per Litho-Druck auf der Leinwand verteilt, derweil zwei mit grobem Pinsel gemalte Frauen hinter vorgehaltener Hand den neuesten Tratsch austauschen. Die Räume zwischen den einzelnen Akteuren und den Grafikelementen bleiben fragmentarisch. Auffällig ist, dass die neueren Bilder weitaus feiner, fast schon naturalistisch gemalt sind. Dennoch gönnt Pawlow diese Konzentration nur den wichtigen Bildelementen. Der Rest, darunter befinden sich oft Kälber, Ziegen und Hähne, wird grob angedeutet. Ein skurriles Szenario.
GALERIE schwarz | weiss (Redlingerstr. 4): Malerei von Arsentij Pawlow. Bis 14. November, Mo.–Fr. 10–18 Uhr, Sa. 10–14 Uhr, Infos: www.galerie-schwarz-weiss.de