Retrospektive von Werken Hans Castrups

Kalkül und Zufall

Von Tom Bullmann, Osnabrück im Feuilleton der Neue Osnabrücker Zeitung vom 7.7.2012

 

Farbe und Struktur sind die maßgeblichen Komponenten in der Kunst von Hans Castrup. Seine großformatigen abstrakten Landschaften entstanden lange Zeit in einem ungezügelten Gestus, der auch vor der Leinwand nicht haltmachte. Die mit pastosem Farbauftrag behandelten, pigmentstrotzenden Bahnen spannte Castrup nicht plan auf einen Rahmen. Stattdessen wellten sie sich, bildeten Berge, Täler und Höhlen.

 

Solche plastische Landschaften, zum Teil mit Kupferblech ausgeschlagen, sind jetzt in der GALERIE schwarz | weiss zu sehen – obwohl sie nicht zu den neuesten Arbeiten des Osnabrücker Künstlers gehören. Bei der Ausstellung mit dem passenden Titel "Von Zeit zu Zeit" handelt es sich nämlich um eine Retrospektive mit über 50 Werken, die zwischen 1993 und heute entstanden.

 

Die Dominanz von Farbe und Struktur hat Castrup beibehalten, doch heute arbeitet er anders. Geradezu sortiert sehen seine neuen Bilder aus, weil sie durch horizontale Streifen gekennzeichnet sind. In vielen Bildern werden die farbigen Elemente von dicken Blöcken in Preußischblau verdeckt. Tatsächlich arbeitet der Künstler sukzessive: Seine Mixtur aus breiten Pinselstrichen, zum Teil akkurat mit Abklebern ausgeführt, gestischen Flächen und immer wiederkehrenden Rastern und Gittergeflechten, in denen geheime Informationen versteckt zu sein scheinen, bedecken zunächst die Bildfläche.

 

Dann übermalt Castrup die Komposition mit einer undurchdringlichen Schicht Preußischblau. Schließlich kennzeichnet er einen Streifen, den er dann befreit: Er schleift den tiefblauen und einige Schichten des farbigen Auftrags wieder ab – und erhält eine vibrierende Kombination aus Kalkül und Zufall.

 

Dieser Arbeitsprozess wird besonders in den Bildern nachvollziehbar, in denen der Künstler statt Preußisch Blau transparente Farben nutzte, sodass die komplette Komposition entweder latent oder demonstrativ sichtbar wird.Eine Reihe runder Leinwände, mit denen der Künstler ausnahmsweise eine Assoziationskette vorgibt und eine Art Mondfinsternis thematisiert, zeugt von dem experimentellen Charakter seiner Bilder und dem Hang zur Materialforschung – ebenso wie seine Künstlerbücher, die er seit einiger Zeit anfertigt.

 

GALERIE schwarz | weiss (Seminarstr. 35): "Von Zeit zu Zeit". Bis 12. August. Mo.–Fr. 10–18 Uhr, Sa. 10–14 Uhr.2

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